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Freitags geschlossen - Ein Abenteuer im Iran

Russland, 28.08.2019

Hatten wir im letzten Blog erwähnt, dass der türkische Verkehr für uns eine Herausforderung war? Heute sehnen wir uns zu den Zeiten zurück, als eine Strassenlinie noch etwas galt und die anderen Autofahrer wenigstens noch auf ihr eigenes Leben achteten.

Im Iran verwandelte sich das Regelsystem, welches uns in Theorie und Praxis eingehämmert wurde, in pures Chaos. Fahrtrichtung, Fahrspuren, Seitenblicke und Mindestabstand sind nur noch weit entfernte Konzepte aus einer anderen Galaxie. Fahrprüfungen kennt man hier nur aus Mythen und Legenden. Alles was zählt, ist, dass man möglichst schnell und halsbrecherisch an sein Ziel kommt. Auch wenn das Ziel auf der Gegenfahrbahn liegt. Die Polizei gibt zwar vor, Geschwindigkeitskontrollen durchzuführen, macht beim wilden Durcheinanderrasen aber munter mit. Als ob das nicht genug wäre, erschweren innerorts schlecht oder gar nicht gekennzeichnete Bodenwellen und immer grössere Schlaglöcher die Fahrt.

Nichtsdestotrotz waren wir erleichtert, als wir endlich im Land waren. Der Grenzübergang war ein einziges Chaos aus willkürlich verteilten Stellen, an denen wir unsere Stempel abholen mussten. Bereits am türkischen Grenzposten stürmten wir aus Versehen das Polizeiquartier, bevor wir die richtige Schlange fanden, bei der wir unseren ersten Stempel im Pass abholen mussten. Danach wurden Fahrer und Beifahrer getrennt. In der Hektik ging aber Vergessen, dass das Visum des Beifahrers eigentlich bei diesem sein müsste und nicht im Auto. Deshalb stand Lucas etwas nervös mit einem Rumänen in der Warteschlange, dem genau das gleiche passiert war. Die Nervosität stieg, als ein grimmiger Militärbeamte ihn zum Mitkommen aufforderte. Zu seiner Erleichterung brachte er ihn und den Rumänen aber nur in ein extra eingerichtetes Touristenbüro, in dem ihm eine höfliche Dame weiterhalf und ihn dabei über unseren Aufenthalt im Iran ausquetschte. Hier kam auch Christoph wieder dazu. Gemeinsam konnten wir schliesslich (mit Visum) den nötigen Stempel am iranischen Schalter einholen. Nur der weibliche Teil des Teams Llama in Pyjama brauchte etwas länger, weil die iranischen Beamten nicht wussten, dass Hong Kong und China zwei verschiedene Staaten sind. Chinesische Staatsbürger brauchen nämlich kein Visum. Bürger von Hong Kong schon.

Die Einheimischen wissen natürlich, dass das Chaos an der Grenze unweigerlich jeden überfordert, der der Sprache nicht mächtig ist. Deshalb machen sie ein gutes Geschäft, indem sie Touristen für Geld an die richtigen Stellen und über die Grenze bringen. Sogenannte «Fixer» rannten mit unserem Carnet de Passage hin und her (zwischendurch sogar in eine Art Besenkammer) und liessen den ganzen Prozess noch schwieriger wirken, als er ohnehin bereits ist. Ausserdem rieten sie uns alle, den anderen Fixern nicht zu vertrauen. Eine herrliche Ironie. Wenigstens hatten wir nach zwei Stunden alle unsere Unterschriften und Stempel. Jetzt mussten wir nur noch darauf warten, dass einer der Fixer uns zu einem Grenzposten weiter unten fuhr, wo wir eine Autoversicherung abschliessen mussten. Den angegebenen Preis von 200 Euro konnten wir schliesslich auf 80 Euro runterhandeln, was immer noch doppelt so viel ist, wie wahrscheinlich auf Farsi im Vertrag stehen würde. Aber ok, wir waren drin. Hinter der letzten Barriere liess uns auch der letzte Fixer für 10 Dollar endlich in Ruhe und wir begaben uns in eine völlig neue Welt.

Bereits auf den ersten Metern waren wir mit unserem Fiat Panda der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Menschen winkten uns zu und hupten, wenn sie uns sahen. Manche Autofahrer vergassen dabei gerne mal nach vorne zu schauen oder kamen uns gefährlich nahe. Vielleicht wäre die Einführung einer Fahrprüfung doch nicht so schlecht. Unser Hotel in Maku lag am Fusse einer hohen, kantigen Felswand. Zusammen mit unseren Grenz-Buddies machten wir uns auf die Suche nach einem Mobileshop (für eine SIM-Karte) und einer Bank, um Geld zu wechseln. Sogleich machten wir Bekanntschaft mit den Öffnungszeiten iranischer Geschäfte, die sehr willkürlich gewählt werden. Keine einzige Bank und nur ein einziger Mobileshop haben am frühen Nachmittag geöffnet. Schliesslich richtete ein junger Mitarbeiter des Shops Lucas’ Handy ein, während wir beim benachbarten Kurden etwas assen. Dass er Kurde ist wissen wir, weil er bei jedem kurdischen Lied voll aufdrehte, «kurdish song, I am kurd» sagte und auf sich zeigte. Nach dem Essen verabschiedete sich das Team Llama in Pyjama und wir machten uns allein auf das Abenteuer Geldwechsel. Komischerweise wollte uns niemand unsere glattgebügelten Euro- und Dollarnoten abnehmen. Die Geldinstitute verwiesen alle auf die Melli-Bank. Diese verwies ihrerseits auf eine gegenüberliegende Bank. Diese wechselte unsere Euros endlich, allerdings zu einem schlechten Kurs. Das sagten sie uns auch und wollen uns lieber zurück an die Grenze schicken. Aber wir wollten nicht zurück in dieses Chaos, deshalb wechselten wir trotzdem.

Nach Maku ging es via ein altes armenisches Kloster in den Bergen nach Täbris, der Hauptstadt der Provinz West-Aserbaidschan. Es ist der 1. August, aber statt dem Rauch am Grillfeuer mussten wir auf der Strasse Ziegenherden ausweichen. Wir schliefen in einem Hotel, welches wir aus Visa-Gründen bereits vor Antritt der Reise gebucht hatten. Dabei merkten wir, dass die Preise im Verhältnis definitiv gesunken waren. Für denselben Preis, für den wir in der Schweiz vielleicht auf ein Bett in einer Jugendherberge hoffen konnten, bekamen wir in einem gigantischen Hochhaus inmitten des El Goli Park Zuflucht. Leider bemerkten wir, dass das Hotel so exklusiv war, dass es keinen direkten Zugang zum öffentlichen Park hatte. Wir mussten also wieder kurz mit dem Auto aus dem Gelände fahren, für 10 Meter auf die Hauptstrasse und auf der anderen Seite der Mauer wieder hinein, um zum gemeinen Pöbel zu gelangen. Nach diesem Manöver gelüstete es uns nach Essen und einem Ticket für die Metro, um am nächsten Tag die Stadt zu besichtigen. An der Metrostation erklärte uns der Verkäufer zu unserer Überraschung, dass die Mitfahrt für Touristen umsonst sei. Nur ein beschwichtigendes «Tomorrow, tomorrow!», hielt ihn davon ab, uns Tür und Tor zu öffnen. Zu Abend assen wir schliesslich mangels ansprechender Alternativen im Drehrestaurant im 11. Stock des Hotels. Und fühlten uns dabei angemessen dekadent.

Übrigens: Die SIM-Karte brauchte drei Anläufe bis sie endlich funktionierte. Der erste Mobileshop in Maku registrierte uns nicht richtig. Am nächsten Tag gingen wir zu einem offizielleren Laden, wo Christoph seine Fingerabdrücke nehmen liess. Das schien das Problem zu beheben. Am nächsten Morgen in Täbris, funktionierte die Karte abermals nicht. Mit dem englischsprachigen Online-Support wurde das Problem nach unzähligen Versuchen schliesslich gelöst. Dabei erfuhren wir, dass Christoph offenbar als Antonio registriert war. Wie das passieren konnte? Keine Ahnung.

Abgesehen von seinem Namen, ging Antonio (aka Christoph) ohne Probleme als Iraner durch. Mehrmals wurde er auf Farsi angesprochen und einige Frauen im Aserbaidschan-Museum fragten Lucas, ob Christoph sein Führer sei. Neben dem Aserbaidschan-Museum und der Blauen Moschee hatte an diesem Tag allerdings wenig geöffnet, weil der Freitag der Sonntag der Muslime ist. Nicht mal die Metro fuhr, weshalb wir schliesslich doch ein Taxi nehmen mussten. Auch der grosse, berühmte Basar machte einen verlassenen Eindruck. Nur einzelne Geschäfte waren geöffnet. Vielleicht auch besser so, denn der Basar ist schon ein paar Mal abgebrannt. Mit ein Grund dafür ist wahrscheinlich, dass sie an manchen Stellen die Feuerlöscher mit Vorhängeschloss gesichert haben.

Beim Mittagessen werden wir erstmal Zeuge von der Gastfreundlichkeit der Iraner. Said, der zufällig im selben Dönerschuppen auf seine Bestellung wartet, stellt sich ungefragt vor und übersetzt uns die Speisekarte. Leider konnten (oder wollten) sie nicht verstehen, dass Christoph keinen Hunger hat und brachten ihm trotzdem ein Kebab-Sandwich. Alles in allem aber trotz (oder gerade wegen) Freitag ein entspannter Aufenthalt in Täbris. Das fand wohl auch der Religionsführer Chamene’i, der von überall her zufrieden von den Wänden lächelte.

Weiter geht es in den heissen Süden. Auf dem Weg nach Isfahan machten wir noch in Hamadan halt. Wieder war unser Hotel ein Prunkpalast erster Güte, der mit Säulen und golden verzierten Stühlen in der Lobby protzte. Mit unseren schmutzigen Kleidern und Kehrichtsäcken für die Kleidung kamen wir uns wie immer etwas unpassend gekleidet vor. Der Hunger trieb uns immer noch unpassend gekleidet ins Stadtzentrum, wo wir eine grosse Fussgängerzone mit tausenden von schlendernden Menschen vorfanden. In der Nähe wurde uns das Shandiz Haji empfohlen, ein Restaurant im ältesten Hamam von Hamadan. Und was für ein hammer Hamam für einen Happen in Hamadan. Zunächst empfing uns Mahmut, von dem wir bis heute nicht genau wissen, was er eigentlich mit dem Restaurant zu schaffen hatte. Er überspielte den eben eingetretenen Stromausfall gekonnt, indem er uns herumführte und uns etwas über die Geschichte des Ortes und die Nutzung des Hamams erzählte. Wir nahmen auf einem erhöhten Teppich in der ehemaligen Umkleidekabine des Hamams Platz. Mahmut stellte uns eine Schweizer Fahne auf den Teppich, macht Fotos mit und von uns, fügte Lucas auf Instagram hinzu und sprach eine ganze Weile mit uns über die Welt und seine Restaurant-Expansionspläne nach Kanada. Dann stellte er uns den Sohn des Besitzers vor, der an der Kasse arbeitet. Wir waren etwas verwirrt, denn wir waren fest davon ausgegangen, dass er der Besitzer ist. Jedenfalls verhalf er uns zu einem grossartigen Menu mit frischem Fladenbrot und einer spendierten Reis-Spezialität, die eigentlich gar nicht mehr so richtig in unsere Münder passte.

Rund und zufrieden machten wir uns auf den Rückweg und fragten uns, was der Iran noch so alles für uns bereithalten würde. Eine kleine Ernüchterung kam mit der elektronischen Post im Mongol-Rally-Chat: Ein Team war von Männern in Polizeiuniform ausgeraubt worden, ausgerechnet in Isfahan. Morgen werden wir auch da sein. In Isfahan begegneten uns aber keine falschen Polizisten. Überhaupt schien die Polizei wenig an uns interessiert. Nur ab und zu winkte uns ein Uniformierter zu oder starrte auf unser nicht-persisches Nummernschild. Vielleicht wirkte die Aussicht, englisch sprechen zu müssen, genug abschreckend, um uns nicht anzuhalten.

Als wir Isfahan erreichten, war es heiss. So heiss, dass wir uns fast nicht dazu überwinden konnten, die 15 Minuten zur Wechselstube zu gehen (die natürlich um 15:00 Uhr zumacht, ist ja auch ein Mittwoch, klar). Wir fanden trotzdem einen Ort, der unsere Euros zu einem guten Kurs umtauschte und kühlten uns danach in der armenischen Vank-Kathedrale ab. Im Museum nebenan sahen wir eine weniger schöne Seite der Türkei, als wir sie angetroffen hatten. Zeugnisse eines Völkermords zu Zeiten des ersten Weltkriegs, der von der türkischen Regierung immer noch abgestritten wird. Aber auch historische Handwerkskunst der Armenier, wie das kleinste Gebetsbuch der Welt (wirklich klein). Und eine Schweizer Taschenuhr, von der wir nicht genau wussten, was sie dort verloren hat.

Am nächsten Tag gingen wir in die gigantische Freitagsmoschee, die auf einem alten Tempel der Zarathustrer erbaut wurde, einer antiken Religion, die im Iran immer noch viele Anhänger kennt (auch wenn sie jetzt offiziell verboten ist). Die Moschee wurde von den verschiedensten Herrschern immer weiter ausgebaut und verschönert, bis sie zu einer riesigen Gebetsstätte für die verschiedenen Strömungen des Islams wurde. Auch die Mongolen haben ihren Teil dazu beigetragen, als der Enkel Dschingis Khans zum Islam konvertierte. Nach einer interessanten Führung durch die weitläufigen Gemäuer begaben wir uns zum Basar. Weil ausnahmsweise mal nicht Freitag ist, gab es da tatsächlich geschäftiges Treiben. In den engen Gängen musste man daher immer wieder Motorrädern ausweichen und Teppichhändler abwimmeln, die uns alle zwei Meter zum Tee in ihr Geschäft einladen wollten. Einer schaffte es mit seinen Dialektkenntnissen der Schweiz (er kennt den Unterschied zwischen «Grüezi» und «Grüessech») dann doch, uns in ein Teppichverkaufsgespräch zu verwickeln. Wir tranken unseren Tee und verabschiedeten uns dann ganz schnell wieder. Die Franzosen, die bereits länger in seinem Laden sassen, schauten uns neidisch nach.

Unser Hotel lag ziemlich genau am Südende der Si-o-se Pol Brücke, einer der Hauptattraktionen von Isfahan. Leider schienen die Iraner das Prinzip einer Fussgängerbrücke nicht ganz verstanden zu haben, denn viele wateten auf den glatten Steinen daneben durch den Fluss. Weil es absolut keinen Grund dazu gab, versuchte sich auch Lucas daran. Dabei lernte er einen Einheimischen kennen (den Namen haben wir leider vergessen, nennen wir ihn der Einfachheit halber Jürg), der diese Art der Überquerung auch erst seit drei Wochen betrieb. In den letzten Jahren war der Fluss stets ausgetrocknet. Am Abend gingen wir nochmals auf den Basar und suchten uns auf dem Rückweg ein Restaurant. Dabei begegneten wir Jürg wieder, der uns eine Spezialität aus Isfahan empfahl: Biryani. Das klingt exotisch, ist aber im Grunde nichts anderes als Hackfleisch in einem Fladenbrot. Satt wurden wir trotzdem.

Nach Isfahan ging es weiter nach Nush Abad, einem kleinen Ort mit Lehmhütten und spielenden Kindern auf den Strassen. Das spezielle daran? Unter dem Dorf befindet sich ein riesiges unterirdisches Tunnelsystem, wo die Bevölkerung zeitweise Zuflucht suchte. Leider wurde ein grosser Teil davon bei einer Flut unzugänglich. Wir waren etwas enttäuscht vom Ausmass der begehbaren Gänge. Als wir schon resigniert abziehen wollten, rennt uns der Ticketverkäufer nach und reicht uns sein Telefon. Sein Bruder ist dran. Dieser sprach Englisch und erklärte uns, wo im Dorf wir den zweiten Eingang der Höhle finden würden. Dachten wir uns doch, dass das nicht alles sein konnte.

Der zweite Teil war tatsächlich etwas grösser und so begaben wir uns etwas zufriedener wieder aus der Stadt. Das wahre Highlight stand da aber am Rande, völlig unbewacht und Eintrittsfrei: Adobe Castle. Eine Burg aus Lehm, inklusive fast komplett erhaltener Burgmauer und Wachturm, den man über eine Wendeltreppe erklimmen konnte. Bei uns wäre sowas ein unbegehbares Fotomotiv und unter Denkmalschutz. Hier wurde es langsam vom Regen weggewaschen.

Nachdem wir im Burghof noch für Fotos mit einem Kind aus der Nachbarschaft posieren mussten, machten wir uns auf, um nach Matin Abad zu kommen. Ein Wüstencamp. Im Sommer. Das klingt schon in der Theorie bescheuert und so waren wir auch die einzigen Gäste, die in ihrer Lehmhütte langsam dahinschmolzen. Die Besitzer erbarmten sich und brachten uns einen grossen Wasservorrat. Spoiler: Er hielt nicht lange. Als wir zu Abend essen wollten, wurden stattdessen die Dromedare gesattelt und wir ritten noch eine Runde durch die Wüste. Immerhin ging die Sonne jetzt unter und es ist nicht mehr ganz so heiss.

Trotz eines wohlschmeckenden Abend- und Morgenessen waren wir nicht ganz traurig, als wir den bisher heissesten Punkt unserer Reise hinter uns liessen und nach Norden fuhren: Nach Damghan, einem Ort ohne Restaurants. Jedenfalls schienen alle drei Restaurants, die wir uns rausgesucht hatten, nicht zu existieren. In unserer Verzweiflung wandten wir uns an einen Familienvater, der gerade mit Frau und Kinderwagen entgegenkam. Er empfahl uns einen Fast Food Schuppen direkt neben unserem Hotel. Nun gut. Da wir im Iran mit Empfehlungen bisher gut gefahren sind und uns der Hunger langsam innerlich aufzehrte, gingen wir direkt da hin. Nur wenige Minuten später kam der Familienvater wieder angerannt: Er könne uns bei der Bestellung helfen, seine Familie sei gerade beim Einkaufen. Amir ist Professor für Ernährungswissenschaft, hat auf den Philippinen studiert und mag Metallica. Das sind nur einige der Dinge, die wir in den nächsten Stunden von unserer neuen Bekanntschaft erfuhren. Nach einem gewaltigen Burger gingen wir mit ihm und seinem Berufskollegen die Flaniermeile Damghans auf und ab. Schliesslich tauschten wir noch Nummern aus und schenkten jedem von ihnen ein kleines Schweizer Taschenmesser. Zum Dank schickte uns Amir später ein abgefilmtes Video von einem Sting-Konzert. Er mag offensichtlich auch Sting.

Sein Angebot, uns eine weitere Moschee zu zeigen, mussten wir leider ablehnen, denn wir wollten zu einigen Sinterterrassen hinauf, die sich über Jahrtausende dank zwei Mineralquellen gebildet hatten. Der Weg hin war zunächst versperrt. Betonklötze bewachten ihn. Dann bedeuteten uns aber ein paar Iraner, die vorbeifuhren, ihnen zu folgen. So kamen wir über einen Kiesweg, auch bekannt als geschäftige Baustelle, doch noch zum Ziel. Auf einem kleinen Parkplatz mussten wir den Fiat zurücklassen und den letzten Aufstieg zu Fuss meistern. Die Einheimischen hatten einen Transport mit dem Traktor bereitgestellt, aber der Hügel ist nichts, was wir mit unseren wandererprobten Füssen nicht bewerkstelligen könnten. Spektakulärer als die eigentlichen Sinterterrassen war dabei die Landschaft, die etwas an Sizilien erinnerte. Natürlich wollten die Einheimischen nach unserer Rückkehr plötzlich eine «Parkgebühr». Dank unseren souveränen Verhandlungskünsten bekamen wir dafür auch noch die völlig unnütze Lehmfigur eines Steinbocks aufgeschwatzt, die wir am nächsten Tag in Gorgan respektvoll am Strassenrand stehen lassen würden.

Auf dem Weg nach Gorgan kam uns ein Mongol Rally Auto entgegen. Seit langem hatten wir keinen der schlecht auf dem Auto haftenden Sticker mehr erblickt und so hielten wir nach iranischer Sitte am Strassenrand für ein Pläuschchen. Da die beiden Insassen Jordi und Laura eine ähnliche Route verfolgten wie wir, verabredeten wir uns in aller Herrgottsfrüh für den Grenzübergang nach Turkmenistan und liessen sie ihres Weges ziehen.

In Gorgan selbst erwartete uns ein leicht verfallenes Gebäude. Als wir die gruslig wirkende Vorhalle betraten, fanden wir diese Verlassen. Vorsichtig trauten wir uns «Hallo» zu rufen. Von der Treppe hinunter kam langsam eine junge Frau gestiegen, die etwas an eine Nonne erinnerte und uns mit den Worten «Come.» bedeutete, ihr die Treppe hinauf zu folgen. Das Licht in den Gängen flackerte, als sie uns den Weg zu unserem Zimmer wies. Unser Zimmer hatte einen grossen Riss in der Wand, vermutlich von einem Erdbeben. Fehlte nur noch ein Blitz, ein unheimliches Lachen und der Horrorfilm wäre perfekt gewesen. Schliesslich gab sie uns aber das W-Lan-Passwort und die Illusion wurde gebrochen. So konnten wir guten Mutes unser Auto zum Waschen ins Dorf bringen. Wir hatten nämlich gelesen, dass schmutzige Autos in Ashgabat öfter von der Polizei angehalten werden.

Die Autowäscherei hatte ausnahmsweise geöffnet und war auch gut besucht. Erst nachdem wir dem Besitzer all unsere Wünsche mitgeteilt hatten und er uns einen Preis nannte, merkten wir, dass er gar nicht der Besitzer war. Er war selbst Kunde und hatte nur freundlicherweise alles an die jungen Autoreiniger weitergeleitet. Am Ende des Tages sassen wir an unserem Teller Fleisch mit Reis und waren gespannt, was uns am nächsten Tag in Turkmenistan erwarten würde.